Factoring, Wandeldarlehen oder Venture Debt: Es gibt zahlreiche alternative Finanzierungen für Unternehmen. Die alternative Finanzierung dient als Ergänzung zu klassischen Finanzinstrumenten und sorgt für eine diverse Kapitalstruktur. Was müssen Unternehmen wissen?
Ob Startup, Mittelstand oder Konzern: Um zu investieren oder operative Ausgaben zu finanzieren, benötigen Unternehmen Kapital. Für die Kapitalbeschaffung können sie Instrumente der Innen- und Außenfinanzierung nutzen.
Während die Innenfinanzierung finanzielle Mittel aus dem eigenen Geschäft im Unternehmen behält, bezieht die Außenfinanzierung Kapital aus externen Quellen. Bei Fremdkapital ist die wohl bekannteste Quelle der Bankkredit, beim Eigenkapital sind es, Venture Capital oder Private-Equity-Fonds.
Neben diesen traditionellen Instrumenten gibt es mittlerweile auch eine Vielzahl von alternativen Finanzierungsformen für Unternehmen. Der Artikel geht auf verschiedene Formen alternativer Finanzierung für Unternehmen ein.

Die verschiedenen Formen alternativer Finanzierungen
Die Möglichkeiten der Kapitalbeschaffung sind so vielfältig wie nie zuvor. Unternehmen jeder Größe und Branche stehen alternative Finanzierungen offen. Die Auswahl ermöglicht eine Finanzierung, die sich individuell auf die Situation des Unternehmens anpassen lässt.
Im Folgenden werden alternative Finanzierungsformen vorgestellt.
Factoring
Beim Factoring verkauft ein Unternehmen seine offenen Kundenrechnungen an ein Factoring-Institut. Dafür erhält das Unternehmen einen Teil der Rechnungssumme direkt wieder als Kapital zurück. Es ist sofort liquide – und muss nicht mehrere Wochen oder Monate auf das Geld der Kund:innen warten. Insbesondere bei langen Zahlungszielen ist das von Vorteil.
Das Factoring-Institut kauft die offene Forderung ab und tritt an Kund:innen heran, um sich die gesamte Rechnung begleichen zu lassen. Es behält die Differenz als Gebühr ein.
Für Unternehmen hat Factoring mehrere Vorteile:
- Sie erhalten direkt Kapital, anstatt lange auf die Begleichung ihrer Forderungen zu warten.
- Die Liquidität des Unternehmens wird sofort gesteigert.
- Die Unternehmen sind vor Zahlungsausfällen geschützt, da das Factoring-Institut das Forderungsmanagement, inklusive Mahn- und Inkassoverfahren übernimmt.
Vom Handel über das Gesundheitswesen bis zum Autobau: Factoring wird heute in verschiedenen Branchen genutzt. Es hat sich vor allem als alternative Finanzierung für den Mittelstand etabliert. Das spiegelt sich auch in den Zahlen wider: 2022 belief sich der Umsatz der deutschen Factoring-Branche auf 372,9 Milliarden Euro. Das entspricht einem Umsatzwachstum von rund 137 % im Vergleich zu 2012.
Wann bietet sich Factoring an?
Vor allem, wenn ein Unternehmen wächst. Denn ein wachsender Umsatz bedeutet auch, dass die Summe und Anzahl der offenen Kundenrechnung steigt. Unternehmen, die zu 100% auf Factoring setzen, haben dadurch praktisch keine offenen Forderungen gegenüber ihren Kund:innen.
Leasing
Neben dem Factoring gehört das Leasing zu den am weitesten verbreiteten alternativen Finanzierungsmöglichkeiten.
Beim Leasing mietet ein Unternehmen für einen bestimmten Zeitraum Maschinen, Fahrzeuge, Büroausstattung oder Hardware von einer Leasinggesellschaft oder direkt vom Hersteller. Dafür wird eine regelmäßige Gebühr fällig, etwa monatlich oder quartalsweise. Nach Ablauf des Leasingvertrages kann das Unternehmen das gemietete Objekt entweder kaufen oder zurückgeben.
In der Praxis gibt es verschiedene Leasing-Arten:
Finanzierungsleasing mit Vollamortisation
Die Leasingrate deckt die Anschaffungskosten, Finanzierungskosten und den Gewinn der Leasinggesellschaft.
Finanzierungsleasing mit Teilamortisation
Die Leasingrate deckt die Kosten der Leasinggesellschaft nur teilweise. Nach Vertragsende wird der Vertrag entweder verlängert oder das Unternehmen kauft das geleaste Objekt.
Operate Leasing
Das Unternehmen least ein Objekt nur für einen kurzen Zeitraum, um damit zu arbeiten. Das tritt etwa bei saisonalen Schwankungen des Geschäfts auf.
Sales-and-lease-back
Das Unternehmen besitzt das Leasingobjekt bereits und verkauft es an eine Leasinggesellschaft, um es anschließend wieder zurück zu leasen. So kann es direkt wieder auf die Mittel zugreifen und bleibt liquide.
All-in-Leasing
Neben den Kosten für das Objekt sind alle Kosten für Wartung, Reparatur und andere Aufwendungen bereits enthalten.
Für Unternehmen hat Leasing mehrere Vorteile:
- Leasing ist bilanzneutral und wirkt sich nicht auf die Eigenkapitalquote aus.
- Die Leasingrate ist über den gesamten Zeitraum gleichbleibend und damit gut planbar.
- Die Leasingrate kann steuerlich als Betriebsausgabe behandelt werden. Das wirkt sich gewinnmindernd aus, weshalb das Unternehmen im Anschaffungsjahr weniger Steuern bezahlt.
- Das Unternehmen sichert sich Liquidität, da die Finanzierung des Leasingobjekts durch die Leasinggesellschaft erfolgt.
Im Leasinggeschäft spielen Produktionsmaschinen, IT, Software- und Cloud-Anwendungen sowie PKW und Kombi die größte Rolle. 2022 betrug ihr Volumen rund 66 Milliarden Euro. Sie machten damit mehr als 90% der geleasten Objekte aus.
Crowdfunding
Beim Crowdfunding beteiligen sich viele Einzelpersonen mit kleinen Beträgen an der Finanzierung des Projekts eines Unternehmens. Im Gegenzug erhalten sie ein "Dankeschön", etwa in Form des produzierten Produkts. Das kann etwa ein Kleidungsstück oder ein Gebrauchsgegenstand sein.
Das Einsammeln des Kapitals erfolgt über eine Online-Plattform. Die Online-Plattform tritt als Vermittlerin zwischen Unternehmen und Geldgeber:innen auf, wobei zwischen den beiden kein Schuldverhältnis besteht. Da bei Crowdfunding auf Dritte (Banken oder Finanzinstitute) verzichtet wird, kommt ein direkter Austausch zustande. Diese Vorgehensweise wird auch Peer-to-Peer-Lending genannt.
Eine beliebte Form des Crowdfunding ist Crowdinvesting oder Equity-based Crowdfunding. Hier erhält das Unternehmen von Investor:innen Mezzanin-Kapital, das zwischen Fremd- und Eigenkapital steht und Eigenschaften von beidem aufweist. Die Geldgeber:innen beteiligen sich mit kleinen bis mittleren Beträgen, üblicherweise ab €100. Sie erhalten im Gegenzug eine Rendite, die nach einer bestimmten Laufzeit zurückgezahlt wird.
Beim Crowdinvesting greifen Unternehmen, je nach Vertrag, auf drei Finanzierungsinstrumente zurück:
- Genussrechte
- Stille Beteiligung
- partiarische Darlehen
Wandeldarlehen
Bei einem Wandeldarlehen (engl. Convertible Loan) erhalten Unternehmen ein Darlehen von Investor:innen. Das Darlehen kann bei der nächsten Finanzierungsrunde in Unternehmensanteile umgewandelt werden. Daneben zahlt das Unternehmen Zinsen an die Geldgeber:innen.
Das Wandeldarlehen ist unbesichert und nachrangig. Das bedeutet, dass es keine Sicherheit für die Investor:innen gibt. Sie werden nachrangig behandelt, stehen also hinter allen anderen Gläubiger:innen zurück.
Wandeldarlehen im Startup-Kontext
Juristisch zählen Wandeldarlehen zwar nicht zum Eigenkapital, dennoch stufen Banken sie als Eigenkapital-nah ein, ähnlich einer stillen Beteiligung. Das erhöht die Kreditwürdigkeit von Unternehmen. Aus bilanzieller Sicht ist ein Wandeldarlehen eine Mischform aus Eigen- und Fremdkapital. Es wird dem Mezzanine-Kapital zugeordnet.
Gerade für Startups mit Bestandsinvestoren sind Wandeldarlehen interessant. Da die bestehenden Kapitalgeber:innen das Geschäftsmodell bereits kennen, erfolgt die Abwicklung schneller. Außerdem ist der Verwaltungsaufwand gering: Ein Wandeldarlehen benötigt keine notarielle Beglaubigung.
Wandeldarlehen sind vor allem zwischen zwei Finanzierungsrunden relevant. Das Startup erhält schnell Fremdkapital (etwa, weil es eine kritische Phase überbrücken muss), das in der nächsten “offiziellen” Finanzierungsrunde in Eigenkapital umgewandelt wird.
Für Unternehmen hat ein Wandeldarlehen weitere Vorteile:
- Weil die Unternehmensbewertung nicht im Fokus steht, erhalten junge Unternehmen schnell und unkompliziert Kapital und überbrücken die Lücke bis zur nächsten Finanzierungsrunde.
- Ein Wandeldarlehen ist kostengünstiger als eine direkte Unternehmensbeteiligung.
- Die Darlehensgeber:innen erhalten lediglich Informations- aber keine Mitbestimmungsrechte.
- Banken stufen Unternehmen mit einer höheren Kreditwürdigkeit ein, da sie Wandeldarlehen Eigenkapital-nah behandeln.
Venture Debt
Venture Debt ist ein Risikokredit, der vor allem Startups zur Wachstumsfinanzierung dient. Dabei handelt es sich um Fremdkapital. Venture Debt ist mit einem herkömmlichen Bankkredit vergleichbar und wird sowohl von privaten als auch staatlichen Anbieter:innen vergeben.
Merkmale von Venture Debt:
- Unternehmen erhalten Fremdkapital.
- Venture Debt folgt Venture Capital: Es wird in der Regel kurz nach einer Eigenkapitalfinanzierung aufgenommen.
- Unternehmen nutzen es zur Wachstumsfinanzierung, zum Kauf von Betriebsmitteln, für M&A oder zur Einstellung neuer Mitarbeitender.
- Venture-Debt-Lender erhalten hohe Zinsen (8 % bis >20 %) auf ihr überlassenes Kapital, hinzukommen können Bezugsrechte (Warrants) sowie Covenants und andere Sicherheiten.
- Das Unternehmen muss das Kapital in monatlichen Raten in einem bestimmten Zeitraum zurückzahlen.
- Venture Debt eignet sich für Start-ups, die die Seed-Phase überstanden haben. Voraussetzungen sind etwa regelmäßiger Umsatz, ein etabliertes Produkt und der Fokus auf Wachstum.
Alternative Debt Financing
In den vergangenen Jahren hat sich eine Reihe verschiedener alternative Finanzierungsmodelle etabliert. Sie beschreiben eine nicht-verwässernde, alternative Debt-Finanzierung von Unternehmen. Mit anderen Worten: Unternehmen veräußern ihre Anteile nicht im Gegenzug für Eigenkapital, sondern finanzieren sich mit Fremdkapital und behalten die Unternehmensanteile.
Alternative Debt Financing als Finanzierungsform für Startups
Wie eingangs beschrieben, sind Fintechs technologieorientiert und nutzen datengetriebene Ansätze. Sie fokussieren sich bei der Risikoanalyse auf Finanzkennzahlen, wiederkehrende Umsätze und Unit Economics. So wird der Kapitalbedarf genau auf den Businessplan des Unternehmens abgestimmt.
Diese alternativen Finanzierungsformen lassen sich jedoch nicht unter einem eindeutigen Begriff zusammenfassen. Es sind Debt-Financing-Instrumente, die Kapital unter Bezugnahme von Datenmodellen und Technologie vergeben. Ihnen allen gemein ist, dass sie die Anteile der bestehenden Gesellschafter:innen nicht verwässern (non-dilutive) oder ihren Einfluss auf das Unternehmen verringern. Diese Art der Finanzierung bietet auch re:cap an.
Die Anwendungsfälle von Debt Financing sind individuell. So kann es unter anderem genutzt werden, um:

- Einen Liquiditätspuffer zu schaffen, um die nächste Finanzierungsrunde auf einen besseren Zeitpunkt zu verschieben, sodass wichtige Finanzkennzahlen verbessert werden können.


Bei diesen individuellen Finanzierungen steht der tatsächliche Kapitalbedarf des Unternehmens im Fokus. Ziel ist es, den Kapitalbedarf zu einem für das Unternehmen idealen Zeitpunkt zu decken. Das vermeidet eine Überfinanzierung, die Auswirkungen auf Kapitalkosten und Kapitaleffizienz hat.
Eine Alternative Debt Finanzierung hat verschiedene Vorteile:
- Unternehmen sichern sich die Liquidität, die sie benötigen und die zu ihrem Businessplan passt.
- Keine Verwässerung der Unternehmensanteile.
- Unternehmen können flexible Laufzeiten zur Rückzahlung vereinbaren
- Die Finanzierung beinhaltet keine Warrants (Bezugsrechte).
Recurring Revenue & Revenue Based Financing
Unter den Bereich non-dilutive Funding fallen auch Recurring Revenue Financing (RRF) und Revenue Based Financing (RBF). Diese Optionen sind bislang vorrangig in den USA und Großbritannien als Alternativen zu herkömmlichen Finanzierungen beliebt. Aber auch in Deutschland nutzen immer mehr Startups aus dem Software- und SaaS-Umfeld die Finanzierungsart.
Revenue Based Financing
Beim RBF erhalten Unternehmen Fremdkapital und sichern den Investor:innen im Gegenzug einen festen Prozentsatz ihres Umsatzes über einen bestimmten Zeitraum zu. Steigt der Umsatz, steigen die Kosten.
Recurring Revenue Financing
Bei der RRF erhalten die Unternehmen auch Fremdkapital. Die Finanzierungssumme und die Zinsen orientieren sich an der Höhe der wiederkehrenden Umsätze und bleiben über den gesamten Zeitraum gleich. So wird Kapital üblicherweise nur bis zu einem gewissen Finanzierungslimit, das abhängig von den jährlich wiederkehrenden Umsätzen ist, an das Unternehmen vergeben.
Bei beiden Alternativen schauen sich die Geldgeber:innen die Unternehmen vorab genau an. Sie prüfen dessen finanzielle Performance. Sie analysieren Metriken und leiten daraus ab, wie sich das Geschäft künftig weiterentwickeln könnte. Auf Basis dessen wird eine Entscheidung über die Höhe der Finanzierungssumme und des Zinssatzes getroffen.
Die Unterschiede zwischen alternativen und traditionellen Finanzierungen
Die Welt der Unternehmensfinanzierung kennt klassische Finanzierungen wie Kredite, Darlehen und Fördermittel. Sie werden von traditionellen Akteuren der Finanzbranche – Banken, Fonds oder andere Finanzinstitute – ausgegeben.
Im Gegensatz dazu gibt es alternative Finanzierungsformen, die oftmals von Fintechs bereitgestellt werden. Fintechs sind digitale Finanzdienstleister, die klassische Finanzdienstleistungen in digitaler Form anbieten. Dabei setzen sie auf Technologie und Daten – und grenzen sich so gegenüber der "alten" Finanzwelt ab.
Fintechs stellen alternative Finanzierungen zur Verfügung
Dieser Ansatz ermöglicht Fintechs einen schlanken Prozess bei der Kapitalvergabe, meist ohne langwierige Verhandlungen, Bürokratie und Verwaltungsaufwand. Vor allem Startups nutzen die Möglichkeit, sich innerhalb kurzer Zeit Kapital zu beschaffen. Für sie kommt ein klassischer Bankkredit ohnehin selten infrage. Warum?
- Sie haben keine greifbaren Assets (Maschinen, Immobilien, Fuhrpark).
- Ihnen fehlt (noch) die Ausrichtung auf den Break-even.
- Sie haben ein Geschäftsmodell, das sich außerhalb der Vorgaben einer Bank bewegt.
Dennoch sind junge Unternehmen unter bestimmten Voraussetzungen finanzierbar. Dadurch, dass alternative Finanzierungsanbieter auf Daten und Digitalisierung setzen, können sie das Risikoprofil und das künftige Wachstum solcher Unternehmen eher einschätzen als eine klassische Bank.
Dabei hilft ein hoher Grad an Individualisierung der einzelnen Finanzierungsinstrumente. So kann der Kapitalbedarf von Startups exakt bedient werden. Aber längst nicht mehr nur Startups nutzen alternative Finanzierungen. Auch mittelständische Unternehmen finanzieren ihr Geschäft damit.
Alternative Finanzierungen sollen ihr klassisches Pendant jedoch nicht ersetzen. Sie fungieren als Ergänzung zu Krediten, Venture Capital oder Fördergeldern. Idealerweise kombinieren Unternehmen klassische und alternative Finanzierung miteinander. Sie diversifizieren ihre Kapitalstruktur und finanzieren Investitionen bedarfsgerecht. Denn nicht jede Art von Finanzierung kommt für jede Investition infrage.
Vielmehr helfen alternative Finanzierungen dabei, den Kapitalbedarf genau zu bedienen – ohne eine Überfinanzierung und damit unnötige Kapitalkosten zu verursachen.
Klassische und alternative Finanzierung kombinieren
Ob klassische Finanzierung, alternative Finanzierungsform oder beides: Unternehmen stehen eine Vielzahl an Instrumenten zur Verfügung. Welches sie nutzen, hängt von der Investition oder dem Geschäftsmodell ab, das finanziert werden soll.
Alternative Finanzierungen und ihre Konditionen lassen sich individuell und exakt auf den Kapitalbedarf abstimmen. Idealerweise kombinieren Unternehmen klassische und alternative Finanzierungsmodelle miteinander.
Startup, Mittelstand oder Konzern: Jedes Unternehmen hat unterschiedliche Kapitalbedürfnisse. Für jede Phase und jede Investition können sie sich aus einer Vielzahl von Finanzinstrumenten das passende heraussuchen, das sowohl Kapitalkosten und Kapitaleffizienz der Finanzierung berücksichtigt.