Es kann zum echten Wachstumshemmnis werden: Kapital, das aufgrund langer Zahlungsziele über Monate gebunden ist. Unternehmen fehlt damit Geld, um neue Investitionen zu finanzieren. An diesem Punkt kommt Factoring ins Spiel.
Definition: Was ist Factoring?
Factoring ist ein alternatives Finanzierungsinstrument für Unternehmen. Dabei überträgt ein Unternehmen seine offenen Forderungen aus Lieferungen und Leistungen an einen Factoring-Anbieter, auch Factor genannt. (Finanzinstitut oder Factoring-Gesellschaft). Der Factor zahlt die offene Rechnung umgehend an das Unternehmen aus und erhebt im Gegenzug eine Gebühr. Diese Gebühr wird direkt von der ausstehenden Rechnungssumme abgezogen.
Üblicherweise schließt ein Unternehmen einen mehrjährigen Factoring-Vertrag mit einem Faktor-Institut. Darin enthalten sind nicht nur Inlands- sondern auch Auslandsforderungen des Unternehmens.

Gebundenes Kapital wird frei
Factoring sorgt dafür, dass gebundenes Kapital für Unternehmen frei wird. Die Rechnung des Unternehmens wird direkt an den Factor verkauft. Firmen müssen dadurch nicht Wochen oder Monate auf ihr Geld warten. So werden ausstehende Rechnungen direkt in Kapital verwandelt und wirken sich positiv auf den Cashflow aus. Eine Factoring-Finanzierung wird deshalb auch kurzfristige Forderungsfinanzierung genannt.
Im Gegensatz zum Inkasso erfolgt die Abtretung durch das Unternehmen an die Factoring-Gesellschaft direkt nach Rechnungsstellung. Bei einem Inkassoverfahren wird ein Inkassounternehmen erst dann beauftragt, wenn Kund:innen bereits in Zahlungsverzug sind und Mahnungen erhalten haben.
Wie funktioniert Factoring?
Beim Factoring interagieren drei Parteien miteinander: Unternehmen, Factor und Kund:innen des Unternehmens.
- Das Unternehmen, das seine offenen Rechnungen in Kapital umwandeln möchte.
- Der Factor, der die offenen Rechnungen kauft und dem Unternehmen dafür direkt Kapital zur Verfügung stellt.
- Kund:innen des Unternehmens (Schuldner/Debitor), die dem Unternehmen die Zahlungen für die ausstehenden Rechnungen schulden.

Wie sehen die einzelnen Schritte beim klassischen Factoring aus?
- Rechnungen einreichen: Das Unternehmen übermittelt seine Rechnungen dem Factor.
- Rechnungen und Schuldner:in prüfen: Das Factoring-Unternehmen prüft die Forderungen auf Rechtmäßigkeit. Außerdem prüft er den Schuldner hinsichtlich seiner Kreditwürdigkeit.
- Vorschuss auszahlen: Der Factor schießt dem Unternehmen einen bestimmten Prozentsatz der offenen Rechnung vor, in der Regel zwischen 70 und 90% des Gesamtbetrags. Dafür erhält er Zinsen.
- Forderung einziehen: Der Factor übernimmt das Inkasso beim Schuldner. Er trägt dafür die alleinige Verantwortung beim Zahlungsausfall.
- Abrechnung: Sobald der Schuldner den Factor bezahlt hat, wird der verbleibende Rechnungsbetrag abzüglich der Factor-Gebühr an das Unternehmen ausgezahlt.
Die Factoring-Kosten
Bei einer Factoring-Finanzierung erhält der Factor für seine Dienstleistung (Forderungsmanagement, Bonitätsprüfung, Übernahme des Ausfallrisikos) einen prozentualen Anteil an der gesamten Rechnungssumme. Sie richtet sich je nach Leistungsumfang, den er für das Unternehmen erbringt.
Hinzu kommen Zinsen für den Vorschuss und damit die bereitgestellte Liquidität. Wie sieht das bei einem konkreten Beispiel aus und was kostet Factoring hierbei?

Beispielrechnung für Factoring
Ausgangslage: Ein Unternehmen hat ausstehende Forderungen in Höhe von €500.000. Um schnell liquide Mittel zu erhalten, nutzt es Factoring und tritt es seine Forderungen an einen Factor ab. Der Factor veranschlagt folgende Kosten: Factoring-Gebühren, Zinsen und Bonitätsprüfungskosten.
Damit stehen dem Unternehmen direkt €400.000 Kapital zur Verfügung. Diese Vorauszahlung durch den Factor erfolgt meist innerhalb von 24-48h. Das Unternehmen muss nicht mehrere Wochen oder Monate darauf warten – und kann mit diesem Geld umgehend wieder arbeiten.
Für welche Unternehmen eignet sich Factoring?
Ob Startup, KMU, Konzern oder Freiberufler: Factoring eignet sich, wenn ein Unternehmen seine Leistung bei Rechnungsstellung bereits vollständig erbracht hat. Zu den weiteren Faktoren gehören:
- Viele ausstehende Forderungen und hohe Lagerbestände
- Lange Zahlungsziele
- Ein fortlaufend hoher Liquiditätsbedarf, um weiteres Wachstum anzukurbeln
- Hohe Anschaffungskosten für Materialien und Maschinen
Factoring hat sich als alternatives Finanzinstrument für Unternehmen etabliert. 2022 betrug der Umsatz der deutschen Factoring-Branche rund 373 Milliarden Euro – ein Plus von 137 % im Vergleich zu 2012.
Laut dem Deutschen Factoring Verband beträgt die Marktdurchdringung von Factoring hierzulande rund zehn Prozent. Im europäischen Vergleich ist die Durchdringung allerdings gering. So weisen Belgien (18%), Spanien (16%), Portugal (15,5%) oder Frankreich (14%) höhere Werte auf.
Welche Arten von Factoring gibt es?
Wie andere alternative Finanzierungsformen ist auch Factoring flexibel einsetzbar. Es lässt sich individuell an die jeweilige Situation, die Ziele oder Bedürfnisse eines Unternehmens anpassen. Folgende Factoring-Varianten stehen Unternehmen in der Regel zur Verfügung:
Full Service Factoring / Echtes Factoring
Alles in einem: Beim Full Service Factoring stellt der Factor alle Factoring-Prozessschritte für bereit. Sie verkaufen die Forderung, geben Mahnwesen und Inkasso ab und sichern sich zu 100% gegen Zahlungsausfälle (Delkredereklausel) ab. Diese Art von Factoring gilt als Standard bei den Factor-Unternehmen und Finanzdienstleister:innen.
Unternehmen erhalten nicht nur Liquidität, sondern entlasten ihr Rechnungswesen und schützen sich gegen Zahlungsschwierigkeiten oder -ausfälle. Full Service Factoring wird auch echtes Factoring genannt.
Unechtes Factoring
Beim unechten Factoring übernimmt ein Factor die gleichen Leistungen wie beim Full Service Factoring – mit einer Ausnahme. Der Factor trägt das Ausfallrisiko nicht. Dieses verbleibt beim Unternehmen.
Das eignet sich vor allem für Unternehmen, die einen festen Kundenstamm und langfristige Beziehungen zu ihren Kund:innen pflegen. In der Regel können diese Unternehmen gut einschätzen, wie es um die Solvenz ihrer Kundschaft bestellt ist.
Offenes Factoring
Offenes Factoring zeichnet sich durch Transparenz aus – vor allem für die Schulder:innen des Unternehmens. Sie werden angewiesen, die offenen Forderungen nicht an das Unternehmen, sondern an den Factor zu überweisen.
In der Vergangenheit waren Unternehmen beim offenen Factoring noch zurückhaltend. Das hat sich mittlerweile geändert. Factoring ist als alternatives Finanzierungsmodell etabliert.
Stilles Factoring
Haben Unternehmen dennoch Bedenken um ihre Kundenbeziehungen, können sie im Gegensatz dazu auch das stille Factoring nutzen. Hierbei erfahren die Schuldner:innen nicht, dass das Unternehmen seine Forderung an einen Factor abgetreten hat. Auf der Rechnung steht als Zahlungsempfänger das “reguläre” Unternehmen. Dieses erhält das Geld auch, überweist es allerdings direkt an den Factor.
Fälligkeitsfactoring
Beim Fälligkeitsfactoring übernimmt der Factor nur das Inkasso der Forderung zum Zeitpunkt der Fälligkeit. Die Forderung wird nicht durch den Factor vorfinanziert, dieser übernimmt nur das Risiko eines Zahlungsausfalles.
Ausschnittsfactoring
Ein Unternehmen möchte nur einen Teil seiner offenen Forderung verkaufen? Dann greift es auf Ausschnittsfactoring (auch selektives Factoring oder Auswahlfactoring genannt) zurück. Das Unternehmen entscheidet dabei selbst, welche Rechnungen es mittels Factoring vorfinanzieren möchte, etwa von einer bestimmten Kundengruppe (Großkunden mit hohen ausstehenden Beträgen oder negativer Zahlungshistorie).
Inhouse Factoring
Im Vergleich zum Full-Service-Factoring behält das Unternehmen beim Inhouse Factoring die Kontrolle über das Forderungsmanagement, einschließlich des Mahn- und Inkassowesens. Die Rolle des Factors beschränkt sich auf die Finanzierung der Forderung und das Management des Ausfallschutzes.
Die Vorteile von Factoring
- Verbesserter Cashflow: Factoring bietet Unternehmen eine direkte Finanzspritze.
- In Wachstum investieren: Dank verbesserter Liquidität kann das Unternehmen in weiteres Wachstum investieren.
- Zugang zu Working Capital: Factoring verschafft einen Zugang zu Working Capital, ohne dass Schulden aufgenommen oder Eigenkapital aufgegeben werden muss.
- Ausfallschutz: Je nach Factoring-Art übernimmt der Factor das Zahlungsrisiko, was die Bonität und Kreditwürdigkeit des Unternehmens verbessert.
- Einfaches Forderungsmanagement: Die Factoring-Gesellschaft kann die Kommunikation mit Kund:innen, inklusive des Mahnwesens und die Verwaltung der Außenstände übernehmen. Das spart Ressourcen beim Unternehmen.
- Schnell und bequem: Factoring ist in der Regel schneller und einfacher für ein Unternehmen als der Zugang zu einem herkömmlichen Finanzinstrument, etwa ein Bankkredit.
Die Nachteile von Factoring
- Kosten: Factoring kann deutlich teurer als andere Finanzierungsmethoden sein, da der Factor für seine Dienstleistung eine Gebühr veranschlagt.
- Eingeschränkte Kontrolle: Sobald die Forderungen verkauft sind, gibt das Unternehmen einen Teil seiner Kontrolle über Inkasso und Kundenbeziehung an den Factor ab.
- Nicht für alle geeignet: Factoring eignet sich nicht für jede Branche. Für Handel, Dienstleistungen und das produzierende Gewerbe ist es jedoch prädestiniert.
Factoring zur Unternehmensfinanzierung
Finanzierungen, die unabhängig von Banken sind, werden für Unternehmen immer wichtiger. Factoring ist eine solche Alternative zu Banken – und hat in den vergangenen Jahren an Bedeutung gewonnen.
Wer ausschließlich im Rahmen des Factoring arbeitet, hat praktisch keine offenen Forderungen mehr. Unternehmen schützen so ihre Liquidität und ihr Eigenkapital. Sie steigern dadurch ihre Chancen auf einen Bankkredit.
Als alternatives Finanzinstrument lässt sich Factoring gut an die Bedürfnisse eines Unternehmens anpassen. Factoring-Unternehmen bieten verschiedene Modelle an. Durch den unterschiedlichen Grad an Serviceleistungen, die mit jeder Factoring-Art einhergehen, lässt es sich ohne größeren Aufwand in das Debitorenmanagement integrieren.