re:cap wurde 2021 von Paul Becker und Jonas Tebbe gegründet. Gemeinsam mit re:cap CTO Arne Zeising haben die drei bereits mehrere Unternehmen aus der Taufe gehoben: Schon im Studium bauten sie owlhub auf, eine Micro-Investment-Lösung. Nach dem Studium ging es weiter mit der Gründung der Anlageplattform LIQID, eines nach wie vor sehr erfolgreichen Fintech-Unternehmens. Es folgte eine Zwischenstation mit &do, einer Beratungsagentur für Venture Building, die Paul, Jonas und Arne ebenfalls gemeinsam führten - um anschließend mit re:cap ihr nächstes großes Fintech-Startup anzugehen. Im Interview erläutern Jonas und Paul ihre wichtigsten Learnings, die sie aus den gemeinsamen Gründungen mitgenommen haben, und welche Tipps sie angehenden Startup-Gründern mit auf den Weg geben wollen.
Ihr habt gemeinsam studiert und gegründet, euer Werdegang ist erstmal recht ähnlich. Worin unterscheiden sich eure Stärken?
Jonas: Wir haben alle Wirtschaftsinformatik studiert, aber innerhalb dieses Bereiches für uns jeweils unterschiedliche Schwerpunkte gesetzt. Bei Paul lag und liegt der Fokus auf Wirtschaft, bei Arne ist es Informatik. Ich selbst liege mit meinen Schwerpunkten und Stärken zwischen den beiden. Gemeinsam decken wir alles ab, was es für den Aufbau eines Unternehmens braucht: Marketing, Sales, Management, Fundraising, technische Aspekte, Strategie und Prozesse.
Paul: Wir haben auch sehr ähnliche Werte und verstehen uns sehr gut. Das ist extrem hilfreich.
Was sind das für Werte?
Paul: Unsere Arbeit ist für uns kein Side Hustle. Wir alle sind bereit, viel Lebenszeit in unternehmerische Projekte zu stecken. Außerdem sind wir alle sehr strukturiert, um nicht zu sagen strukturverliebt. Diese Gemeinsamkeiten räumen sehr viel Konfliktpotenzial aus dem Weg. Und drittens ist uns Kommunikation sehr wichtig, wir sagen uns immer ehrlich die Meinung.
Was würdet ihr anderen bei der Co-Gründer-Wahl empfehlen?
Jonas: Der erste Schritt ist, sich überhaupt einen Co-Gründer zu suchen. Zu Gründen ist eine Riesen-Herausforderung. Das alleine durchzuziehen, empfehle ich niemandem. Nur mit Co-Gründern hat man außerdem echten Austausch auf einem gemeinsamen Level, das ist mit anderen Teammitgliedern in der Tiefe nicht möglich. Und zweitens sollten Co-Founder komplementär zueinander sein und sich gut ergänzen.
Paul: Ich persönlich bin auch überhaupt kein Fan von gescouteten Gründer-Teams. Das mag in Einzelfällen funktionieren, etwa bei einigen Company Buildern, aber es ist eher die Ausnahme als die Regel. Die Suche nach einem passenden Co-Founder ist vergleichbar mit der Suche nach einem Lebenspartner - das muss wirklich gut passen, auf vielen Ebenen. Das macht man nicht mal eben nebenbei.
Was hättet ihr vor eurer ersten Gründung gern gewusst?
Paul: Wie viel kann man arbeiten und wo liegen die eigenen Belastungsgrenzen? Als Gründer gibst du natürlich alles, aber jeder hat sein Limit. Das lernt man irgendwann kennen. Zweites großes Learning: Es lohnt sich zu verstehen, wie VCs denken und nach welchen Kriterien sie handeln. Das war mir persönlich nicht von Anfang an klar - VCs verfolgen natürlich Interessen für ihr eigenes Business, die nicht immer übereinstimmen mit den Interessen der Gründer. Ihr Geschäft und ihre Beweggründe zu verstehen, ist sehr hilfreich.
Jonas: Überall wird nur mit Wasser gekocht. Was andere schaffen, kann man selbst auch schaffen, wenn man sich richtig reinhängt. Das geht sogar ohne Vorwissen oder Connections, auch wenn es dann natürlich noch mal herausfordernder ist - aber es ist möglich.
Eine zweite Sache, die jeder Gründer vor Augen haben sollte: Wer mit VCs arbeitet, lässt sich auf etwas Langfristiges ein. Diese Entscheidung lässt sich nicht nach einem Jahr wieder rückgängig machen. Wir sprechen hier eher von zehn oder 15 Jahren, in denen man Verpflichtungen nachkommen und seine Geldgeber zufrieden stellen muss.
Welche Learnings konntet ihr für die Gründung von re:cap nutzen? Was habt ihr anders gemacht als bei den vorhergehenden Gründungen?
Paul: Wir wussten, wie der Organisationsaufbau funktioniert. Wir hatten auch ein besseres Gefühl dafür, zu welchem Zeitpunkt man seniorige Teammitglieder an Bord holen sollte, nämlich möglichst früh.
Auf Ebene der Investoren haben wir uns bei re:cap dafür entschieden, den Captable sehr international aufzustellen. Außerdem war uns wichtig, mit Risikokapitalgebern zu arbeiten, die größere Reserven besitzen und uns für längere Zeit finanzieren können. Unser re:cap Captable ist nach nur einem Jahr extrem stark, auf der Basis können wir hervorragend unser Geschäft weiter aufbauen.
Und zuletzt hat es mir geholfen, dass ich mir bei LIQID sehr umfangreiches Marketingwissen angeeignet habe. Ich kann Gründenden nur empfehlen, sich in mindestens einem Themengebiet wirklich auf Expertenlevel einzuarbeiten.
Jonas: Wir wussten bei der Gründung von re:cap, wie wichtig transparente Kommunikation ist. Den Menschen in deinem Team etwas vorzuspielen, bringt gar nichts. Wirklich gute Zusammenarbeit funktioniert nur mit Transparenz. Dazu kann auch Kritik gehören, oder seinen Mitarbeitern nicht zu verschweigen, wenn das Business nicht so gut läuft.
Was Fundraising angeht, war auch unsere Zeit bei &do hilfreich. Die Frage “Wollen wir überhaupt VCs an Bord holen?” hatten wir uns bei LIQID gar nicht gestellt. Durch unsere Erfahrungen bei &do war das bei re:cap dann ganz anders.
Was war bei der re:cap-Gründung anders als bei den Gründungen davor?
Paul: Wir sind mit einer größeren Erwartungshaltung an die re:cap-Gründung herangegangen. Wie man ein Produkt baut, zahlende Kunden gewinnt, Kapital erhält und ein Team aufbaut, wussten wir da schon. Insofern konnten wir uns auf darüber hinausgehende Herausforderungen konzentrieren und uns gleich höhere Ziele setzen, z.B. Skalierung und Internationalisierung. Außerdem haben wir beide bei LIQID eher operativ gearbeitet, während unsere Aufgaben bei re:cap komplexer sind. Hier sind wir z. B. auch für das Fundraising verantwortlich. Das hätten wir früher vielleicht nicht abdecken können, heute aber schon.
Jonas: Bei Gründung und Aufbau von re:cap sind wir insgesamt einfach sehr bewusst vorgegangen, da ist nichts zufällig passiert. Der Prozess war sehr planbar. Das war bei LIQID noch nicht so, da haben wir eher “on the fly” herausgefunden, wie alles funktioniert.
Wie kamt ihr zu dem Thema Recurring Revenue Financing?
Jonas: Bei &do haben wir immer wieder Investoren mit Due-Diligence-Projekten unterstützt und ihnen geholfen, Tech-Unternehmen zu evaluieren. Dabei wurde uns bewusst, wie viel Verbesserungsbedarf es da gibt, Prozesse besser zu strukturieren.
Außerdem muss man sich als Gründer natürlich zwangsläufig mit dem Thema Finanzierung beschäftigen. Das Thema Fremdfinanzierung kannte früher fast niemand, das ändert sich seit einiger Zeit. Dadurch kamen wir auf die Idee, re:cap zu gründen.
Was sind eure Tipps für zukünftige Gründer?
Paul: Ein Unternehmen zu gründen ist etwas völlig anderes, als sich für eine Karriere als Anwalt oder Unternehmensberater zu entscheiden. Ich habe den Eindruck, dass das phasenweise nicht jedem klar ist und manche einfach denken “Investmentbanking ist irgendwie nicht mehr so cool - dann gründe ich eben ein Internet-Startup”. Das funktioniert aber selten. Man sollte sich bewusst sein, was für eine folgenschwere Entscheidung das ist.
Zweitens: Wenn du dich für ein eher risikobehaftetes Thema entschieden hast, für das es noch keinen klaren Business Case gibt, musst Du echte Leidenschaft dafür mitbringen. Wenn sich nämlich der Business Case irgendwann in Luft auflöst, dadurch dass beispielsweise neue Wettbewerber auf den Markt kommen, die Nachfrage ausbleibt oder die Kundenerwartung anders ist als gedacht, hilft es sehr, für das Thema zu brennen. Aus meiner Erfahrung passiert das deutlich häufiger, als dass der Business Case eins zu eins in der Realität eintritt.
Jonas: Vertraut darauf, dass es wirklich für alles eine Lösung gibt, egal, wie groß das Problem ist.
Wofür steht ihr morgens auf?
Jonas: Ich habe einen inneren Antrieb, mich selbst verwirklichen zu wollen. Ich suche und finde Erfüllung darin, Neues zu schaffen, etwas, das es noch nicht gibt. Ich will Prozesse und Branchen verändern.
Paul: Es ist toll, zu realisieren, dass man so etwas wie die Gründung und den Aufbau von re:cap überhaupt machen darf, dass man so eine Gelegenheit bekommt. Diese Chance will man ja nicht verspielen. Das ist ein Riesengrund, jeden Tag aufs Neue loszulegen.